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Kleinkriminalität von Maghrebinern

Ein grosser Teil der Kleinkriminalität wird von Personen aus den Maghreb-Staaten begangen. Der Sachverhalt wird von links bis rechts unterschiedlich gewertet. Ebenso unterscheiden sich die Lösungsstrategien.

Asylsuchende aus den Maghreb-Staaten beschäftigen die Schweizer Öffentlichkeit gerade sehr. Die diesjährige Kriminalstatistik zeigt, dass ein grosser Teil der kleineren Delikte wie Einbruchdiebstahl von Personen aus diesen Ländern – also Algerien, Tunesien, Marokko – verübt wurde.

Auch in Basel-Stadt hat sich dieser Sachverhalt in den Zahlen niedergeschlagen: Während 1404 Schweizerinnen und Schweizer gegen das Strafgesetzbuch verstossen haben, hatten 477 Personen eine algerische und 258 Personen eine marokkanische Staatsangehörigkeit.

Die SVP Basel-Stadt reagierte schnell: «Basel-Stadt ist der kriminellste Kanton der Schweiz und hat ein akutes Sicherheitsproblem. Und es zeigt deutlich auf, dass auch unser Kanton unter der gescheiteren Asyl- und Migrationspolitik leidet», schrieb sie direkt nach Veröffentlichung der Kriminalstatistik in einer Medienmitteilung. Für die SVP gehören beide Sachverhalte zusammen: Die Ursache für die hohe Kriminalität seien Migranten aus den Maghreb-Staaten und die linken Parteien, welche ihrer Meinung nach zu lasch dagegen vorgingen.

Festgefahrene Situation

«So wie es jetzt ist, ist die Situation festgefahren, und das ist nicht die Folge von linker Politik, wie die SVP sagt. Es ist die Folge der Mitte-rechts-Politik», sagt hingegen Moreno Casasola, Teil der Geschäftsleitung der Freiplatzaktion, eine Beratungsstelle für migrantische Personen in Basel.

Einbruchdiebstähle sieht Casasola zudem nicht als Hauptproblem der Schweiz. Doch wenn man schon darüber rede, müsse man wenigstens die Ursachen in den Fokus rücken, sagt er. Das sieht auch die SP-Grossrätin Amina Trevisan so: «Die Ursache für Kriminalität liegt nicht an der Herkunft von Geflüchteten an sich, sondern in ihren belastenden Lebensumständen», sagt sie.

Doch in einem Punkt sind sich beide Parteien einig: Es braucht Verbesserungen im Asylsystem. Welche Lösungsvorschläge gibt es? Und welche sind wirklich umsetzbar?

Die SVP will Abschiebungen und geschlossene Grenzen

«Die Lösung für das Problem von kriminellen Maghrebinern ist die konsequente Abschiebung der abgewiesenen Asylsuchenden», meint der Basler SVP-Präsident Pascal Messerli.

Ein Rücknahmeabkommen besteht mit Algerien, jedoch nicht mit Marokko. «Die Zusammenarbeit im Rückkehrbereich funktioniert aber auch ohne formelles Abkommen sehr gut», sagt Samuel Wyss, Pressesprecher des Staatssekretariats für Migration SEM. Mit Tunesien bestehe sogar eine Migrationspartnerschaft, welche über die reine Rückführung hinausgeht. Trotzdem scheinen die Abschiebungen für die SVP nicht genug gut zu funktionieren. Und freiwillig kehren die wenigsten zurück. «Die Schweiz muss in diesen Ländern einfach mehr Härte zeigen», ist Messerlis Antwort.

Joel Thüring (links) und Pascal Messerli (rechts), beide SVP, sind für Abschiebung und stärkere Grenzkontrollen. Hier mit Demi Halblützel (SVP) an den National- und Ständeratswahlen.Bild: Roland Schmid

Auch Joel Thüring, Grossrat der SVP, plädiert dafür, die Migrationsströme über ein stärkeres Grenzregime zu lösen. Nicht nur über Abschiebung, sondern auch über eine lückenlose Kontrolle der Landesgrenzen. «Ein grosser Teil der Vergehen verstösst gegen das Ausländergesetz. Es handelt sich um illegale Einreisen und Kriminaltourismus. Es kommen Maghrebiner in die Schweiz, die eigentlich nicht dürften und deren Gesuch abgelehnt werden wird», sagt er.

Maghrebiner haben im Herkunftsland keine Perspektive

«Das Problem lässt sich nicht einfach abschieben», sagt hingegen Beat Stauffer. Er hat sich als Journalist auf den Maghreb spezialisiert, er kennt die Lage vor Ort gut.

«Aus den Maghreb-Staaten migrieren meist Männer ohne Perspektive auf ein gutes Leben», meint Stauffer. Die meisten hätten die Schule frühzeitig abgebrochen, seien arbeitslos oder arbeiteten in schlecht bezahlten Jobs. Gewisse hätten auch bereits Gefängnisstrafen hinter sich, etwa aufgrund von Cannabiskonsum.

Zu den schlechten sozialen Verhältnissen komme noch die Enttäuschung über den gescheiterten Arabischen Frühling. Daher würden sie sich auf den Weg über das Mittelmeer oder über die Balkanroute nach Europa machen.

«Aus dem Maghreb fliehen meistens Männer ohne Perspektiven», sagt der Maghreb-Experte Beat Stauffer.Bild: Juri Junkov

Doch in Europa gibt es für sie kaum Chancen. Legale Arbeitsmigration ist bis anhin fast nicht möglich. Viele der jungen Maghrebiner stellen deshalb einen Asylantrag. Da die Maghreb-Staaten relativ sicher sind, erhalten aber weniger als zwei Prozent der Gesuchsteller einen positiven Entscheid. Wird ihr Gesuch abgelehnt tauchen viele unter und versuchen, in einem anderen Land unter anderem Namen einen neuen Antrag zu stellen.

Abgelehnte Asylsuchende aus den Maghrebstaaten erhalten in der Schweiz Nothilfe. Diese beträgt allerdings nur zwischen 8.50 und 10 Franken. Stauffer schätzt, dass bloss etwa 20 Prozent der Maghrebiner straffällig werden. Diese begehen aber häufig serienmässig Einbruchdiebstähle oder andere Delikte.

Die meiste Kriminalität ist Beschaffungskriminalität

«Ein beträchtlicher Teil der Straftaten, welche von Maghrebinern begangen werden, ist Beschaffungskriminalität», sagt Meret Barfuss. Sie war beim Hilfswerk Heks für die Rechtsberatung im Bundesasylzentrum Basel zuständig.

«Viele migrierte Maghrebiner sind von den Schmerzmitteln Lyrica und Pregabalin abhängig. Auf Bundesebene gibt es aber weder eine Suchtberatung noch eine Abgabestelle für die Mittel», sagt sie. Weil die Entzugserscheinungen stark seien, würden viele Süchtige auf den Schwarzmarkt ausweichen. Für die Beschaffung brauchen sie Geld. So werden sie delinquent. «Wenn Behörden etwas gegen Kriminalität machen wollten, müssten sie eine Drogenabgabestelle im Bundesasylzentrum einrichten», sagt Barfuss deshalb.

Es brauche Arbeitsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten, findet SP-Grossrätin Amina Trevisan.Bild: Nicole Nars-Zimmer

Eine weitere Lösungsstrategie ist die Arbeitsintegration: «Es braucht Sprachkurse, Ausbildungsplätze und Arbeitsmöglichkeiten», sagt SP-Grossrätin Trevisan.

Auch das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) unterstützt diesen Ansatz: Dessen Vorsteherin Stephanie Eymann (LDP) forderte 2023 verschiedene Massnahmen, unter anderem auch eine Arbeitsintegration. «Es braucht nicht nur repressive Lösungen, sondern auch solche, die präventiv greifen», sagt JSD-Sprecher Toprak Yerguz.

Grund dafür ist, dass die Kantonspolizei Basel-Stadt bei der Eindämmung der Kleinkriminalität an ihre Grenzen stösst. Zwar wurden bei der Dreirosenanlage Kameras installiert und es gibt vermehrte Polizeikontrollen an Hotspots wie im Unteren Kleinbasel. «Aber diese Schwerpunktkontrollen sind sehr personalintensiv. Sie können gezielt eingesetzt werden, lassen sich jedoch in dieser Intensität nicht in alle Ewigkeit fortsetzen», sagt Yerguz.

«Zuhören wäre ein Anfang»

Und was ist mit den 24-Stunden-Verfahren? Das Schnellverfahren soll Asylsuchenden mit einer Annahmequote von rund 2 Prozent innerhalb von 24 Stunden einen ersten Entscheid vorlegen. Der Pilotversuch in Zürich war erfolgreich, die Asylgesuche aus den Maghreb-Staaten seien um über 70 Prozent gesunken, berichtete SRF. Bundesrat Beat Jans will das Verfahren nun auf weitere Bundesasylzentren ausweiten, auch auf Basel.

Die Freiplatzaktion hat dieses Vorgehen in einem offenen Brief an Jans kritisiert: «Zwar ist eine kurze Wartezeit im Asylbereich sinnvoll, aber das 24-Stunden-Verfahren, wie es jetzt besteht, ist lediglich eine Verlagerung», meint Casasola, «die Leute haben sich ja nicht in Luft aufgelöst, sie sind untergetaucht oder ins Ausland. Das Problem ist so nicht gelöst.»

«Zuhören wäre ein Anfang», sagt Moreno Casasola von der Freiplatzaktion Basel.Bild: zvg

Die betroffenen Personen ernst zu nehmen und eine Anlaufstelle einzurichten, wo ihnen zugehört und Perspektiven aufgezeigt würden, wäre für Casasola ein Anfang.

Lösung braucht ein Paket von Massnahmen

Stauffer hingegen befürwortet die 24-Stunden-Verfahren. Zudem müsse man die Maghrebiner dazu bewegen, dass sie freiwillig gehen. Abschiebungen sind für Stauffer unumgänglich, doch eine Lösung, wie sie die SVP vorschlägt, ist für ihn nicht umsetzbar. Abschiebeverträge kämen nicht durch Härte, sondern vor allem durch Rückführungsabkommen zustande. «Wir müssen den Maghreb-Staaten einen Deal anbieten», findet er deshalb.

Teil dieses Deals sei ein Kontingent für legale Migration. Stauffer schlägt ein Losverfahren vor. «Es ist wichtig, dass wir nicht nur die gut ausgebildeten Personen aus dem Maghreb abschöpfen. Auch Personen mit einfachem Berufsabschluss müssen hier legal arbeiten können», meint er. Und für die Ungebildeten brauche es Projekte im Maghreb selbst. Ein Berufsausbildungszentrum zum Beispiel, oder eine Anlaufstelle für alleinerziehende Mütter.

So ein Vorgehen wäre für die Schweiz auch günstiger als das jetzige System, meint Stauffer: «Das ganze Asylsystem, wie es jetzt ist, kostet sehr viel. Mit dem Geld könnte man in den Herkunftsländern viel mehr bewegen. Und wenn es dem Maghreb gut geht haben wir auch weniger Migration.»

https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/abschiebung-oder-arbeit-kleinkriminalitaet-von-maghrebinern-entzweit-basels-politik-ld.2603381

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