Zum Inhalt springen

Ist die Klimabewegung in Basel am Ende?

Vor sechs Jahren startete die Klimabewegung weltweit. Politisch ist viel passiert, doch die Jugendlichen sind von der Strasse verschwunden. Wo steht die Klimabewegung in Basel heute?

Gut sechs Jahre ist es her, seit Schülerinnen und Schüler in Basel beschlossen, es einem Mädchen aus Schweden gleichzutun und freitags zu streiken, um damit auf die Klimaerwärmung aufmerksam zu machen. Mit dem Klimastreik und unzähligen weiteren Klimagruppen entstand schweizweit die grösste Jugendbewegung, die das Land seit den 1980er-Jahren gesehen hat. Doch die Massen an Jugendlichen sind mittlerweile von den Strassen verschwunden. Zeit, sich zu fragen: Wo steht die Klimabewegung in Basel heute?

«Greta Thunberg hat viele inspiriert. Ich hatte das Gefühl, wirklich etwas zu verändern», sagt Liam Harder. Der 22-Jährige hat mit 16 Jahren am ersten Schulstreik in Basel teilgenommen. Das war am 21. Dezember 2018, am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien. «Diese Bewegung hat mich politisiert.»

Und sie hat tatsächlich etwas erreicht: In Basel-Stadt wurde der Begriff der Klimagerechtigkeit in die Kantonsverfassung aufgenommen. Per Volksentscheid hat sich Basel-Stadt dazu verpflichtet, bis 2037 Netto-Null bei den Klimaemissionen zu erreichen. Es werden Superblocks getestet, in welchen der Autoverkehr reduziert und die Strassen begrünt sind. Und um auf Hitzeperioden und starke Regenfälle besser vorbereitet zu sein, wendet der Kanton das Schwammstadt-Prinzip an, wobei versiegelte Flächen reduziert werden.

Doch die Bewegung habe etwas an Schwung verloren, findet Harder. Die Mitgliederzahl beim Klimastreik sei deutlich zurück gegangen. Momentan habe der Klimastreik zwischen sieben und zehn Mitgliedern. «Wir sind an einem kritischen Punkt», meint Harder.

Viele Aktivistinnen und Aktivisten sind frustriert und müde

Dadurch, dass in Basel bereits einiges zum Klimaschutz gemacht werde, würden viele denken, die Arbeit sei getan. «Aber die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, merken, dass der Wandel zu langsam geht. Wir rasen auf über 3 Grad Erwärmung zu», sagt Harder. So seien beim Netto-Null-Ziel 2037 die grauen Emissionen, also die Treibhausgasemissionen, die ausserhalb der Landesgrenze entstehen, nicht eingerechnet. Beim neuesten Klima-Kantonsranking des WWF führt Basel die Rangliste an – erreicht aber doch nur 3,5 von 5 möglichen Punkten.

Liam Harder vom Klimastreik Basel. Bild: Kenneth Nars

Dadurch entstehe Frust und Demonstrationsmüdigkeit. Auch er fühle sich von der Politik und der Gesellschaft oft ungehört, sagt Harder. Dazu kämen die vielen Stimmen, die Aktivistinnen und Aktivisten als trotzige, realitätsferne Jugendliche hinstellten, die mit dem Alter schon noch zur Vernunft kommen würden. «Man fordert von uns Lösungen und greift uns gleichzeitig an, wenn wir nicht völlig klimaneutral leben. Viele Leute denken, die Jugend rette sie nun aus der Krise, und sie könnten ihren Lebensstil weiterführen wie bisher», findet er.

Doch nicht nur die Kritik von aussen mache die politische Arbeit ermüdend: «Wir sind alle zwischen 16 und 26 Jahre alt, gehen zur Schule, haben Prüfungen, arbeiten und haben noch einen Haufen anderer Probleme, die zum Erwachsenwerden dazugehören», meint Harder. Es sei schwer, eine Balance zwischen Aktivismus und den normalen Anforderungen des Lebens zu finden. Viele Mitglieder des Klimastreiks seien im letzten Sommer aus Basel weggezogen, auch Harder wird bald in Bern studieren. Wie viel Zeit ihm dann noch für politische Arbeit bleibt, weiss er nicht.

«Mit Wahlen kann man verändern, wer den Diskurs ausarbeitet»

Einer, der sich entschieden hat, sein Leben ganz der politischen Arbeit zu widmen, ist Laurin Hoppler. Er war im Klimastreik aktiv und wurde 2021 Grossrat für das Junge Grüne Bündnis. Das fanden nicht alle gut: «Einige Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Klimagerechtigkeitsbewegung sind von mir enttäuscht, dass ich den Schritt ins Parlament gewagt habe.»

Denn es gebe in der Bewegung Personen, die sich von der parlamentarischen Politik verraten fühlen, weil die Forderungen der Linken oft weniger radikal daherkämen, ihr Vorgehen stärker kompromissorientiert sei. Die Enttäuschung über die zähen politischen Prozesse kann Hoppler nachvollziehen: «Ich würde mir auch wünschen, dass wir im Parlament Mehrheiten hätten und anders arbeiten könnten. Aber es macht keinen Sinn, politische Vorstösse auszuarbeiten, welche von den Bürgerlichen sowieso abgelehnt werden.»

Laurin Hoppler an einer Sitzung im Basler Grossen Rat. Bild: Michael Fritschi

Doch um das zu ändern, brauche es sowohl ausserparlamentarische wie auch parlamentarische Arbeit: «Ein Teil der Politik wird auf der Strasse gemacht. Dort wird der gesellschaftliche Diskurs verändert. Mit den Wahlen kann man dann verändern, wer diesen Diskurs ausarbeitet.» Wer nicht wähle und sich dann beschwere, dass alles zu langsam gehe, mache es sich zu einfach.

So sei der Kompromiss, das Netto-Null-Ziel bis 2037 zu erreichen, nur durch die starken Forderungen der Strasse erreicht worden. Deshalb findet Hoppler: «Die Klimabewegung ist nicht gescheitert.» Nun liege der Ball bei der Regierung und der Verwaltung, um die beschlossenen Klimaziele umzusetzen.

Klimabewegung wanderte von der Strasse in die Quartiere

Doch macht die Verwaltung wirklich, was ihr aufgetragen wurde? «Auch wenn wir tolle Klimaziele haben, können wir uns nicht alle zurücklehnen. Wir müssen weiterhin der Verwaltung auf die Finger schauen und im Dialog bleiben mit Menschen, die eine Rolle im parlamentarischen System übernehmen», findet Frida Kohlmann. Kohlmann tritt unter ihrem Aktionsnamen auf, ihren richtigen Namen will sie nicht in der Zeitung veröffentlichen. Sie steht an einem Sonntagnachmittag im August auf der Dreirosenmatte an einem Stand von «Jetzt Wenden».

Die Kampagne vereint verschiedene Klimagerechtigkeitsgruppen in Basel, um gemeinsam den Bau des Rheintunnels im Dreirosenquartier zu stoppen. Die Bewegung hat ihre Form gewechselt, weg von den Massen auf den Strassen, hin zu vielen vernetzten Projekten in den Quartieren. Der Rheintunnel beispielsweise sei nicht mit den Klimazielen vereinbar, finden die Akteure. An diesem Sonntag ist die Kampagne am Dreirosenfest präsent, auch Basta und die Grünen sind vor Ort, es gibt Spiele, Essen und Musik.

Frida Kohlmann vom Collective Climate Justice. Bild: Lisa Kwasny

Während einige Aktivistinnen und Aktivisten sich resigniert zurückgezogen haben oder aus Frust über die Langsamkeit der parlamentarischen Politik vermehrt auf ausserparlamentarische Arbeit setzen, hat Kohlmann die gegenteilige Entwicklung durchgemacht. Sie ist Teil des Collective Climate Justice (CCJ), welches das jährlich stattfindende «No Borders Klimacamp» in Basel organisiert. 2018 war sie bei der Blockade des Ölhafens in Basel und 2020 bei der Besetzung des Bundesplatzes in Bern dabei.

«Ich habe mit zivilem Ungehorsam begonnen und das war zu dieser Zeit die richtige Strategie. Doch nun haben wir alle einen Haufen Strafbefehle am Hals, und es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, so weiterzumachen», sagt Kohlmann. Einfach eine Demonstration mehr zu organisieren, bringe heute nichts mehr. «Das Bewusstsein ist in den Köpfen der Menschen angekommen, jetzt können wir auf einer wirkungsvolleren Ebene arbeiten», findet sie.

Die radikalen Positionen seien zwar wichtig, doch damit könnten eben keine Mehrheiten geholt werden. «Ich will nicht herumsitzen und auf die Revolution warten. Ich will jetzt etwas unternehmen, um eine wünschenswerte Zukunft zu gestalten.»

https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/proteste-es-gibt-fast-keine-demos-mehr-ist-die-klimabewegung-in-basel-am-ende-ld.2657683

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert