Zum achten Mal findet das «No Borders Klimacamp» statt. Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen den Zusammenhang von Migration und Klimakrise aufzeigen und gemeinsam Lösungen erarbeiten.
Ella Lamy, Mitglied von «Collective Climate Justice» (CCJ), steht im Horburgpark zwischen Holzbänken und ruft: «Mic-Check, Mic-Check, das Plenum beginnt jetzt!». Sie heisst mit bürgerlichem Namen anders. Die Personen um sie herum nehmen den Satz auf, rufen ebenfalls, so wird er über das ganze Gelände getragen, wie bei einem Kettentelefon. Die letzten Aktivistinnen und Aktivisten kriechen aus ihren Zelten und holen sich Porridge und Kaffee bei der Campküche. Es ist Montagmorgen, kurz vor neun Uhr auf dem «No Borders Klimacamp».
Seit 2017 besetzt CCJ gemeinsam mit Mitgliedern verschiedener Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung jedes Jahr einen öffentlichen Raum in Basel. In verschiedenen Workshops vom 3. bis 11. August wollen sie aufzeigen, welche Zusammenhänge zwischen der Klimakrise und Migration bestehen.
«Die Schweiz verstärkt die Klimakrise»
Diese Zusammenhänge sind mittlerweile gut erforscht. Die Weltbank rechnet in einem Bericht von 2021 mit 216 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2050. Am meisten betroffen seien Personen aus Subsahara-Afrika. «Wir sitzen nicht alle im selben Boot. Wie wir auf die Klimakrise reagieren können, hängt mit unserem Wohlstand zusammen», sagt Cyrill Hermann vom Klimastreik Zürich.

«Die Schweiz verstärkt die Klimakrise, indem sie in fossile Infrastruktur investiert. Gleichzeitig schliesst sie ihre Grenzen für Geflüchtete», sagt Meret Schefer vom Klimastreik Bern. «Damit entscheidet sich die Schweizer Regierung aktiv gegen das Überleben von Menschen.» Die Organisation «Break Down Climate Walls» berechnete, dass die Schweiz im Jahr 2020 rund 449 Millionen Franken für den Grenzschutz und 210 Millionen Franken für Klimamassnahmen investiert habe, obwohl das Land zu den grössten Verursachern von CO2-Emissionen gehört.
Den Traum einer anderen Welt leben
Doch beim Klimacamp geht es nicht nur um schulmässige politische Bildung. «Wir wollen hier eine andere Welt erleben und verwirklichen», sagt Lamy. Die gelebte Utopie ist an diesem Sommertag direkt spürbar. Gut dreissig Anwesende liegen im Schatten, basteln, malen und unterhalten sich über politische oder persönliche Themen.

Dabei ist das Camp fern von einem hedonistischen Traum: Auch an diesem Montagmorgen werden im Plenum die Aufgaben verteilt. Einige, wie die Toilettenreinigung, sind zwar weniger beliebt, doch trotzdem finden sich dafür Freiwillige.

Auch für Frühstück sowie Mittag- und Abendessen ist gesorgt. Dieses bereitet das Kochkollektiv Koko vor. «Wir arbeiten mit Ausschussgemüse von Biobetrieben und bieten alles gegen Spende an. Alle sollten Zugang zu Essen haben», sagt Paul Stuber, der mit bürgerlichem Namen anders heisst. Gewinn erwirtschaften sie damit nicht, viel eher sehen sie es als eine Art Aktivismus, um Aktivismus zu ermöglichen.
Bevölkerung soll Lösungen gemeinsam erarbeiten
Und dieser Aktivismus hat es in sich: CCJ und der Klimastreik waren an den Besetzungen der Credit Suisse in Zürich, des UBS-Bürogebäudes in Basel 2019 und an der Bundesplatzbesetzung in Bern im Jahr 2020 beteiligt. 2023 seilten sich fünf Aktivistinnen und Aktivisten von CCJ im Rahmen des Klimacamps von der Dreirosenbrücke ab und blockierten die Schifffahrt auf dem Rhein für mehrere Stunden. Ziel der Aktion war es, auf den Zusammenhang von Erdölförderung und Migration hinzuweisen.
Gerade die bislang jüngste Aktion haben Lamy, Hermann und Schefer in guter Erinnerung: «Das war sehr selbstermächtigend», sagt Hermann. «Gemeinsam konnten wir die Erdöllieferung auf dem Rhein kurzzeitig stoppen», ergänzt Lamy. «Das wünschen wir uns vom Camp. Die Lösungen für die Klimakrise kommen nicht vom Schweizer Parlament, sondern wir als Bevölkerung müssen selber aktiv werden», meint Schefer.

Zwar finden die Veranstaltungen tagsüber statt, wenn die meisten arbeiten. Das Bild der Teilnehmenden des «No Borders Klimacamp» ist demnach wenig divers, die meisten sind zwischen achtzehn und fünfundzwanzig und weiss. Diejenigen mit einer Lehre oder Lohnarbeit haben sich für die Woche extra frei genommen. Etwas, was die meisten Anwohnerinnen und Anwohner im umliegenden Klybeck-Quartier wohl kaum machen können oder wollen.
Trotzdem scheint das Camp im Quartier auf Wohlwollen zu stossen: Die vorbeilaufenden Personen seien neugierig, viele würden Bewunderung für die Bauten auf dem Gelände zeigen, meint Lamy. Veranstaltungen wie eine Zirkusshow würden zudem die Kinder vom Quartier anziehen. «Wir sind offen für den Dialog, auch bei schwierigen politischen Themen», sagt Lamy. Denn ihr Ziel sei, als Gemeinschaft auszuhandeln, wohin der Weg in Zukunft führen solle.