Sie sind aktuell in aller Munde, bei einigen höchst wohlwollend, bei anderen mit grosser Abneigung: die Verschwörungstheorien. Doch wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir diesen Begriff verwenden? Ein Erklärungsansatz nach Michael Butter.
Menschen in deinem Umfeld erwähnen in einem Nebensatz plötzlich, dass die Coronazahlen möglicherweise gefälscht sind? Jemand hat auf deine Hauswand «Plandemie» geschrieben? Oder deine Mutter leitet dir Telegram-Nachrichten weiter, welche «beweisen», dass Impfen unfruchtbar macht? Diese Erfahrungen teilen aktuell viele Menschen. Die Corona-Pandemie hat das Gros der Verschwörungstheorien von den Rändern der Gesellschaft in die Mitte zurückgeholt. Doch warum?
Warum gibt es Verschwörungstheorien?
Verschwörungstheorien tauchen immer dann auf, wenn Geschehnisse die Welt als unsicheren Ort erscheinen lassen. Sie sind sinnstiftend, bieten ein Erklärungsangebot und schaffen Kohärenz statt Zufall und Kontingenz. Sie machen die Welt einfach fassbar, weil sie klar in Gut und Böse einteilen lassen. Das traditionelle Menschenbild von Verschwörungstheorien hilft zudem, sich selbst als selbstbestimmtes Individuum zu verstehen. In Zeiten von Corona, welche von äusseren Zwängen geprägt sind, ist diese Anschauung höchst verlockend.
Durch soziale Medien lassen sich Verschwörungstheorien viel schneller teilen. Die Algorithmen im Internet schaffen Filterkammern und Echoblasen. So erhalten wir nur die Information, welche unsere Überzeugung bestätigt. Ausserdem ist es einfacher, auf Verschwörungsinhalte im Internet zu stossen, als früher in der «realen» Welt in solche Kreise zu gelangen. Ein, zwei Klicks und schon kann man sich auf Youtube erklären lassen, wieso die Pyramiden nicht von Ägypter*innen, sondern von Aliens gebaut wurden.
Obwohl Verschwörungstheorien wieder Einzug halten in die öffentliche Diskussion, werden sie immer noch oft negativ bewertet. Der Begriff „Verschwörungstheoretiker*in“ wird häufig als Schimpfwort verwendet. So wird über Sprache eine Teilung der Gesellschaft in ideologische Klassen erkennbar gemacht. Menschen, welche an eine bestimmte Theorie glauben, werden z.B. durch die Bezeichnung «Verschwörungstheorethiker*in» gekennzeichnet, dass sie nicht an eine im Mainstream vertretene Erzählung glauben. Dadurch werden sie stigmatisiert, denn der Begriff impliziert meistens die Ansicht, dass die von ihnen vertretene Theorie falsch ist. Die beinhaltet auch, dass viele Menschen den Begriff benutzen, ohne genau zu wissen, was als Verschwörungstheorie gelten kann. So werden Menschen, welche z.B. Impfungen gegenüber kritisch eingestellt sind, schnell als Verschwörungstheoretiker*innen bezeichnet. Das kann zwar zutreffen, ist jedoch oft auch ein vorschneller Schluss. Warum, folgt jetzt.
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